ZFA als Mangelberuf: Was Zahnmedizinische Fachangestellte bei der Arbeitgeberwahl wirklich wollen – und wie Praxen darauf reagieren sollten
Der Beruf der Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) steht seit Jahren auf der Liste der Mangelberufe. Die Zahl der offenen Stellen übersteigt die Zahl der Bewerber:innen deutlich – und dieser Trend verschärft sich. Für Zahnarztpraxen bedeutet das: Wer heute erfolgreich ZFAs gewinnen möchte, muss die Zielgruppe nicht nur verstehen, sondern ihre Bedürfnisse konsequent in Recruiting- und Bindungsstrategien umsetzen.
Eine aktuelle Umfrage unter über 45 ZFAs in Mehrbehandlerpraxen liefert jetzt spannende Einblicke: Was ist diesen Fachkräften bei der Wahl des Arbeitgebers wirklich wichtig? Welche Faktoren entscheiden, ob eine Bewerbung geschrieben – oder eben nicht geschrieben – wird? Und wie können Praxen diese Erkenntnisse konkret nutzen, um im Wettbewerb um Talente die Nase vorn zu haben?
Warum wir auf den passiven Arbeitsmarkt schauen müssen
Die Untersuchung hat einen klaren Fokus: Befragt wurden ausschließlich aktuell beschäftigte ZFAs. Der Grund ist simpel, aber entscheidend – rund 95 % der Zielgruppe gehören zum passiven Arbeitsmarkt. Nur etwa 4.500 ZFAs in Deutschland sind aktiv arbeitssuchend, während mehr als 86.000 zwar beschäftigt, aber grundsätzlich wechselbereit sind. Genau diese Gruppe entscheidet darüber, ob eine Praxis ihre Stellen besetzen kann.
Der Unterschied zu aktiv Suchenden: Passive Kandidatinnen bewerben sich nicht „von selbst“. Sie müssen gezielt angesprochen, überzeugt und aus ihrer aktuellen Situation herausgelockt werden. Das bedeutet: Klassische Stellenanzeigen auf Jobportalen greifen hier zu kurz. Social Recruiting und eine klare Arbeitgebermarke sind Pflicht.
Die fünf wichtigsten Faktoren bei der Arbeitgeberwahl
Im ersten Teil der Befragung bewerteten die ZFAs 18 Kriterien auf einer Skala von „sehr wichtig“ bis „unwichtig“. Die Top 5 sind aufschlussreich – und entlarven einige verbreitete Irrtümer:
Ein sicherer, unbefristeter Arbeitsplatz
Sicherheit steht an erster Stelle. Viele Praxisinhaber:innen setzen dies als selbstverständlich voraus – kommuniziert wird es aber selten. Wer unbefristete Verträge anbietet, sollte das aktiv in Stellenanzeigen, auf Karriereseiten und in Social-Media-Posts erwähnen. Das signalisiert Stabilität und langfristiges Interesse.
Gutes Teamklima und Beziehungen zu Kolleg:innen
In kaum einem Beruf ist Teamarbeit so zentral wie in der ZFA-Assistenz. Die Qualität des Miteinanders beeinflusst nicht nur die Arbeitszufriedenheit, sondern auch die Bindung an den Arbeitgeber. Der Haken: „Wir sind ein tolles Team“ reicht als Aussage nicht. Teamkultur muss erlebbar sein – etwa durch Einblicke in den Praxisalltag, Mitarbeiterstories oder Videos, die echtes Miteinander zeigen.
Wertschätzender Umgang durch Praxisleitung und Behandler:innen
Wertschätzung wird häufig versprochen, aber selten konkret belegt. Dabei spielt sie in der täglichen Arbeit – vor allem im engen Zusammenspiel zwischen Assistenz und Behandler:in – eine Schlüsselrolle. Praxen sollten dieses Thema intern wie extern sichtbar machen, zum Beispiel durch Feedback-Formate, persönliche Statements oder Mitarbeiterinterviews.
Klare Regelungen zu Überstunden
Hier geht es nicht primär darum, Überstunden zu vermeiden, sondern um Transparenz: Wie werden sie erfasst? Wie ausgeglichen oder vergütet? Unklare oder fehlende Regelungen sorgen für Frust – klare Absprachen für Vertrauen. Da es sich um harte Fakten handelt, lassen sie sich problemlos in Stellenanzeigen kommunizieren.
Möglichkeit zur Spezialisierung
Die Chance, sich fachlich zu entwickeln, hat für viele ZFAs hohen Stellenwert. Praxen mit spezialisierten Behandlungen – etwa Implantologie oder Kieferorthopädie – können dies gezielt als Vorteil kommunizieren, etwa durch die Finanzierung von Fortbildungen oder die Übernahme von Reisekosten.
Prioritäten im direkten Vergleich: Das gewichtete Ranking
Im zweiten Teil der Umfrage wurden die 18 Kriterien in sieben Kategorien verdichtet und von den Befragten in eine Reihenfolge gebracht. Hier gab es eine Überraschung: Gehalt landete unangefochten auf Platz 1 – obwohl es im ersten Teil gar nicht unter den Top 5 auftauchte.
Das zeigt: Wenn ZFAs gezwungen sind, Prioritäten zu setzen, sticht die finanzielle Sicherheit andere Faktoren aus. Kein Wunder: Viele verdienen unter 2.500 € brutto. Schon 200 € mehr im Monat können spürbar die Lebensqualität verbessern. Wer also meint, Gehalt sei „nur ein Bonus“ und keine zentrale Stellschraube, unterschätzt die Realität der Zielgruppe.
Platz 2 belegten Teamkultur und Wertschätzung, gefolgt von Arbeitszeiten und Planbarkeit. Karriere- und Fortbildungsmöglichkeiten sowie Technologie spielten dagegen eine geringere Rolle, als viele Praxen annehmen.
Was Praxen daraus lernen können
Die Ergebnisse liefern eine klare Handlungsanweisung für Recruiting und Employer Branding:
Gehalt transparent kommunizieren
Wer den Lohn erst im Vorstellungsgespräch nennt, verliert potenzielle Bewerber:innen an Praxen, die von Anfang an klare Angaben machen. Gehaltsangaben in Stellenanzeigen filtern zwar Bewerbungen – aber genau das spart Zeit und erhöht die Passgenauigkeit.
Teamkultur zeigen, nicht behaupten
Authentische Einblicke schlagen jede Floskel. Fotos, Videos, Zitate oder kurze Storys aus dem Praxisalltag schaffen Vertrauen und wirken glaubwürdiger als Hochglanzbilder.
Arbeitszeiten verlässlich gestalten
Flexible Arbeitszeiten sind im Praxisbetrieb oft unrealistisch. Verlässliche Dienstpläne dagegen sind ein echtes Plus – vor allem, wenn kurzfristige Änderungen die Ausnahme bleiben.
Unbefristung als Benefit positionieren
Auch wenn es Standard ist, lohnt sich die aktive Kommunikation eines unbefristeten Vertrags. Sicherheit ist ein starkes Argument – gerade im Mangelberuf.
Überstundenregelung klar machen
Transparenz bei Erfassung, Vergütung oder Freizeitausgleich stärkt das Vertrauen. Das gilt besonders für Praxen, die mit jungen ZFAs oder Auszubildenden arbeiten.
Fazit: Wer ZFAs gewinnen will, muss Prioritäten setzen
Die Umfrage macht deutlich: Viele Praxen investieren Energie in Aspekte, die für Bewerber:innen nur zweitrangig sind – etwa hochmoderne Geräte oder allgemeine Weiterbildungsmöglichkeiten. Diese Punkte sind kein Fehler, aber sie entscheiden selten über Zu- oder Absage.
Wer im Recruiting erfolgreich sein will, muss die Sprache der Zielgruppe sprechen und ihre tatsächlichen Bedürfnisse ansprechen. Das bedeutet: Gehalt, Sicherheit und Teamkultur gehören in jede Stellenanzeige und jede Employer-Branding-Maßnahme. Alles andere ist Kür.